Historie der Mission Leben

Hilfe für Menschen in Not – seit 175 Jahren

Mission Leben blickt auf eine 175-jährige Geschichte zurück. Die Grundsteine der heutigen christlich-sozialen Arbeit legte 1849 u. a. der Darmstädter Hofprediger Ferdinand Bender. Seinen Impuls erhielt er durch die berühmte Rede von Johann Hinrich Wichern auf dem Wittenberger Kirchentag im März 1848. Wichern forderte in einer flammenden Rede die Innere Mission der Evangelischen Kirche mit der rettenden Liebe als ihr Werkzeug.

Reformbewegung in schwierigen Zeiten

Die Zeit war reif: Durch die Französische Revolution und die Aufklärung waren traditionelle Denkmuster in ganz Europa erschüttert. Die Industrielle Revolution hatte massive gesellschaftliche Konsequenzen. Breite Massen verelendeten und verarmten, Städte wucherten durch große Wanderungsbewegungen, Slums entstanden. Nach Wicherns Aufruf entstand eine Reformbewegung. Tatkräftige Theologen und Laien wollten das Elend, das die „Seelen der Menschen“ befallen hatte, beseitigen, dessen Ursache sie im Abfall vom Glauben sahen.

 

Erste Einrichtungen

Ein Geflecht an diakonischen und sozialen Initiativen entstand auch im Großherzogtum Hessen. Die Kernbestandteile der Vereinsarbeit bildeten sich erst allmählich heraus. Schon in den Ursprüngen wurde das Leitziel verfolgt, Menschen in Not zu helfen, zu trösten und zu unterstützen. Jede Hilfe sollte die Seele als Ganzes umfassen. In kurzer Zeit entstanden drei „Rettungshäuser“ für junge Menschen. Das Rettungshaus in Hähnlein (1850) gilt als Gründungseinrichtung des späteren Vereins. In Darmstadt entstand später eine ähnliche Einrichtung für „gefallene Mädchen“ – de facto von ihren Dienstherren missbrauchte Mägde und Dienstmädchen. Weitere Einrichtungen folgten, darunter das Elisabethenstift in Darmstadt (1858), die Kinderheilanstalt „Elisabethaus“ in Bad Nauheim (1879), mehrere Herbergen zur Heimat und die Erziehungsanstalt „Aumühle“ in Darmstadt-Wixhausen (1885).

Vereinsgründung

1899 erhielt der Verein durch den Großherzog von Hessen Ernst Ludwig die Rechte einer juristischen Person. Fortan hieß er „Hessischer Landesverein für Innere Mission“ oder kurz HLIM. 109 Jahre später wurden daraus die heutige Stiftung Innere Mission Darmstadt und die Mission Leben. Über die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts gibt es wenige konkrete Angaben, da bei dem Luftangriff auf Darmstadt 1944 nahezu alle historischen Dokumente des Vereins vernichtet wurden. 1927 wurde Wilhelm Röhricht Direktor des HLIM. 1933 zählte der HLIM 32 Einrichtungen und 30 unterstützende Vereine und Verbände, wie die Stadtmission oder die Pilgermission in Hessen.

Enteignungen im Nationalsozialismus

Mit den Nationalsozialisten kam eine Welle der Enteignung auf den HLIM zu. Die meisten Einrichtungen wurden in die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt überführt. Geblieben war die Aumühle in Wixhausen, die nun strafentlassene Männer beherbergte, ein Altenheim und ein „Krüppelheim“. Reste der volksmissionarischen Arbeit wurden im Verborgenen fortgeführt, begleitet von Schikanen und Bedrohungen. Wilhelm Röhricht gelang es, die Substanz des Vereins in den Kriegsjahren zu erhalten.

Wiederaufbau nach 1945

Nach 1945 begann er mit dem Wiederaufbau. Ehemalige Mitarbeitende konnten rekrutiert werden, enteignete Einrichtungen kamen zum HLIM zurück. Hilfestrukturen waren in weiten Teilen zerstört, die Not war überwältigend. Die Bürokratie war gering, Vertrauen spielte eine große Rolle.

50er Jahre: rasantes Wachstum

Der HLIM wuchs in den Folgejahren rasant, zahlreiche Einrichtungen wurden übernommen. 1959 verfügte der Verein über 17 Heime – darunter allerdings eine Reihe von ungeeigneten Übergangslösungen. Die Bewohner*innen packten selbst an: Altenheime hatten meist einen Garten für Obst und Gemüse. Manche Häuser züchteten sogar Schweine, die vor Ort geschlachtet und verarbeitet wurden. Die Zentrale wechselte mehrfach ihren Standort; 1959 zog sie in den Roquetteweg 28 in Darmstadt. Ende der 1950er Jahre richtete sich der HLIM aufgrund innerkirchlicher Beschlüsse neu aus. Fortan wurde die stationäre Arbeit ausgebaut. Die sogenannte offene Arbeit, zu der u.a. Beratungsarbeit gehörte, musste aufgegeben werden.

60er und 70er Jahre: Altenhilfe expandiert und wandelt sich

In den 1960er und 1970er Jahren wurde die Entwicklung des HLIM durch die Verfestigung des Sozialstaats und den gesellschaftlichen Wandel geprägt. Hilfebedürftige hatten nun einen Rechtsanspruch auf Versorgung. Steigende Lebenserwartung und Abnahme des Unterstützungspotenzials in den Familien führten zu einer starken Expansion der Altenhilfe im HLIM. Dabei wandelten sich die Einrichtungen von traditionellen Altenheimen für noch rüstige Menschen zu Pflegeeinrichtungen für hochbetagte, pflegebedürftige Menschen mit hohem Betreuungsaufwand.

In diesen zwei Jahrzehnten trennte sich der HLIM unter seinem neuen Direktor Heinz Klett von unwirtschaftlichen Einrichtungen. Zahlreiche neue wurden gebaut. Darunter das Heinrich-Egli-Haus in Mainz (1960), das Wilhelm-Röhricht-Haus in Darmstadt (1960), Haus Vogelsberg in Gedern (1963), Haus Michael in Alzey (1966) und An der Fasanerie in Groß-Gerau (1971). Letzteres war eine Modelleinrichtung mit moderner Pflegestation. Aus dem ganzen Bundesgebiet pilgerten Delegationen nach Groß-Gerau, um neueste Entwicklungen, wie einen Gymnastikraum, zu begutachten.

Aumühle wird zur Heimat für Menschen mit Behinderung

1977 wurde die Aumühle zu einer Einrichtung für Erwachsene mit einer geistigen Behinderung. Diese Entscheidung von Direktor Gottfried Goldberg war auch öffentlich heftig umstritten. Aber glücklich: In nur kurzer Zeit wurde die Aumühle zu einer von Betroffenen, Eltern und auch in Fachkreisen hochgeschätzten Einrichtung. Sie ist in das Gemeindeleben von Wixhausen fest integriert. 

Bau- und Sanierungspojekte in den 1980ern und 1990ern

Auch die letzten beiden Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts waren von zahlreichen Neubau- und Sanierungsprojekten geprägt: Haus Jona in Obertshausen (1988), die Oase in Gießen (1994) und das Altenpflegeheim Pfungstadt (1994). Weiterhin wurden neue Aufgaben übernommen und ambulante oder teilstationäre Hilfen konzipiert. Ein Beispiel sind Tagespflegeangebote in der Altenhilfe. 1985 zog die Zentrale in den Roquetteweg 8 in Darmstadt.

Markt für soziale Dienstleistungen entsteht

Die Reform des Sozialstaates setzte Mitte der 1980er Jahre ein. Sie beendete die Phase seiner fortschreitenden Ausweitung. Einrichtungen und Träger*innen der freien Wohlfahrtspflege mussten jetzt ihren Auftrag unter restriktiveren Bedingungen einlösen. Mit den Aktivitäten privater Träger*innen entstand ein Markt für soziale Dienstleistungen. Begleitet wurde die sozialpolitische Trendwende von einer regen Verordnungs- und Gesetzgebungstätigkeit.

Altenpflegeschulen werden übernommen

2004 übernahm der HLIM die Altenpflegeschulen des Elisabethenstifts. Im Jahr darauf entstand auf dem Gelände der Aumühle ein Wohnhaus mit 36 Plätzen.  Möglich wurde dieses Projekt nur durch das außerordentliche finanzielle Engagement von Eltern von Bewohner*innen. Ebenfalls 2005 übernahm der HLIM in Mainz Wohnheim und Herberge für wohnungslose Frauen, Psychosoziale Beratungsstelle und Tagesaufenthalt vom Diakonischen Werk.

Ein neuer Name

2008 erhielt der HLIM einen neuen Namen und eine neue Unternehmensstruktur: Stiftung Innere Mission Darmstadt und Mission Leben. An den Tätigkeitsfeldern des diakonischen Unternehmens hat sich nichts verändert. Unser Ziel hat sich in den vergangenen Jahrzehnten erweitert: Galt es früher, Menschen in schwierigen Lebenssituationen möglichst gut zu versorgen, möchte Mission Leben heute mehr: ihnen ein Leben in Geborgenheit, aber auch in größtmöglicher Selbstbestimmung und Selbstständigkeit ermöglichen.

In rund 50 sozialen Einrichtungen im Großraum Rhein-Main betreuen unsere Mitarbeitenden jährlich über 9.000 Menschen Jahr stationär und ambulant. Fast 1.800 Menschen machen im Jahr ihre Ausbildung in unserer Akademie für Pflege- und Sozialberufe oder bilden sich dort weiter. Die Zentrale der Mission Leben befindet sich seit 2012 in der Schöfferstraße in Darmstadt.
 

Hilfeeinrichtungen chronologisch

1885 Erziehungsanstalt Aumühle, Darmstadt-Wixhausen
1956 Altenpflegeheim Martinsstift, Mainz
1960 Altenpflegeheim Wilhelm-Röhricht-Haus, Darmstadt, 1985 Umbau
1960 Evangelische Wohnungslosenhilfe, Heinrich-Egli-Haus, Mainz
1963 Altenpflegeheim Haus Vogelsberg, Gedern
1965 Altenpflegeheim Haus Michael, Alzey, 1987 Umbau
1968 Erweiterung Kinderheim Haus Waldfrieden, Butzbach
1968 Umbau Karl-Wagner-Haus, Friedberg
1971 Altenpflegeheim Haus An der Fasanerie, Groß-Gerau
1977 Altenzentrum Seeheim
Aumühle in Darmstadt-Wixhausen wird zur Behinderteneinrichtung
1982 Altenpflegeheim Haus An den Platanen, Neu-Isenburg
1985 Altenzentrum Im Sohl, Ingelheim
1988 Altenpflegeheim Haus Jona, Obertshausen
1997 Tagesbetreuung und Schule für Erziehungshilfe im Kinder- und Jugendhilfezentrum Waldfrieden, Butzbach
2011 Ambulanter Pflegedienst Langen
2012 Ambulanter Pflegedienst Gedern Altenpflegeheim
Haus Tabea, Alzey
2013 Seniorenzentrum Haus Priska, Dieburg
Wohngruppen für Menschen mit Demenz- Haus An der Königsheide, Neu-Isenburg
Diakonie Limburg gGmbH mit ihren Einrichtungen Wichernstift und Theodor-Fliedner-Haus, Limburg
Jugendhilfe Südhessen, Landkreis Offenbach
2015 Betreuung minderjähriger unbegleiteter Flüchtlinge im LK Offenbach und Wetteraukreis
2016 Wohnanlage mit Service am Martin-Niemöller-Haus, Rüsselsheim
Inobhutnahme, Gedern
Akademie für Pflege- und Sozialberufe, Darmstadt und Wiesbaden
Jugendhilfe Südhessen, Darmstadt
2017 Tagespflege Haus Jona, Obertshausen
Start des INTRA Lab
2018 Jubiläumsfeier 10 Jahres Mission Leben
2019 Inklusionsbetrieb Café Sammeltasse, Erzhausen (2024 geschlossen)
Baubeginn Hospiz Rodgau
2020 Zweitwerkstatt Aumühle, Darmstadt
Hospiz Am Wasserturm, Rodgau
Haus Am See, Höchst i. Odw.
Wohnen mit Service im Haus Michael, Alzey
Schulbegleitung, Jugendhilfe Südhessen
2021 Eröffnung der Tagespflege Am See, Höchst i. Odw.
2022 Integration der Diakoniestation Brechen
2023 Eröffnung der Tagesförderstätte Aumühle
2024 Wohngruppe für Heranwachsende, Gießen
Adresse
Mission Leben gGmbH
Schöfferstraße 12
64295 Darmstadt
Telefon: 0 61 51 – 40 90-0